Rhein-Neckar-Zeitung
22.11.2010 -
Seite 5
Von Ingeborg Salomon
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Als
das Christkind 1943 nach Heidelberg reiste
Carola Throm Hibschman hat im Kurpfälzischen Verlag ein wunderschönes
Kinderbuch herausgegeben - Nostalgie für Kleine und Große
Weihnachten 1943. Deutschland befindet sich mitten im Zweiten Weltkrieg,
in vielen Familien herrscht große Not, Bombengeschwader erreichen
deutsche Städte, und auch in Heidelberg rechnet man mit Luftangriffen.
Was also schenkt ein liebender Opa seiner vierjährigen Enkeltochter,
die das alles nicht versteht und aufs Christkind wartet? Alfons Renk malte
und schrieb seiner Enkelin Carola Throm ein stimmungsvolles Bilderbuch,
das auch im Jahr 2010 ein entzückendes Weihnachtsgeschenk ist. „Christkindleins
Weihnachtsreise nach Heidelberg 1943", so der Titel, ist jetzt im
Kurpfälzischen Verlag erschienen.
Der Opa verspricht Carola darin immerwährenden Trost und Schutz durch
das Christkind, und das war wohl der Grund, dass Carola Throm Hibschman,
wie sie seit ihrer Heirat 1966 mit einem Amerikaner heißt, das Büchlein
ein Leben lang hütete wie ihren Augapfel. Als Talismann begleitete
das Buch sie durch Kindheit, Studienjahre und schließlich in die
USA, wo sie als Professorin für Alte Sprachen, antike Weltliteratur
und Kulturgeschichte des Alten Orients lehrte. 2009 kehrte Carola Throm
Hibschman in ihre Heimatstadt Heidelberg zurück; jetzt möchte
die 71-Jährige dieses zeitlose Märchen an andere weitergeben
– und damit gleichzeitig ihrem geliebten Opa postum ein Denkmal
setzen. Der Kurpfälzische Verlag hat das Weihnachtsmärchen sehr
liebevoll ediert: Neben einer verkleinerten Reproduktion des Pappbilderbuches
gibt es ein Begleitheft, in dem Carola Throm die Entstehungsgeschichte
des Buches - und damit ihre eigene Kindheit - beschreibt. Ältere
Heidelberger werden auch Spaß haben an den historischen Fotos, die
Carola mit ihrer Familie im Thermalbad oder am Neckar zeigen. „Den
Sommer 1943 verbrachte ich als glückliches Kind", erinnert sie
sich. Ihr Vater unterrichtete am Kurfürst-Friedrich-Gymnasium, und
da er sich wegen der befürchteten Luftangriffe um Frau und Tochter
sorgte, wurde beschlossen, dass die beiden zu den Großeltem aufs
Land ziehen sollten - nach Ochsenfurt in Franken. „Hier errichtete
Opa mir ein Kinderparadies", erzählt Carola Throm. Für
sie spielte es keine Rolle, dass Weihnachten mit den Großeltern
kriegsbedingt erst am 14. Februar 1944 gefeiert wurde, dem Geburtstag
der Oma. Unter dem Weihnachtsbaum lag für die kleine Carola diese
zauberhafte Weihnachtsgeschichte, die die Erinnerung an Heidelberg wachhält.
Denn Petrus lässt es auf Schloss, Altstadt und Alte Brücke schneien,
genau wie viele Kinder (und Erwachsene) es sich auch dieses Jahr wieder
erträumen.
(i) Info: Alfons Renk; Christkindleins Weihnachtsreise nach Heidelberg
1943,
Pappbilderbuch und Begleitbuch zusammen im Schuber,
Kurpfälzischer Verlag, Heidelberg, 2010,
17,50 Euro.
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Mainpost
Würzburg
17.12.2010
Von Antje Roscoe
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Liebeserklärung
an einen Lehrer
Carola Throm Hibschman stellte
das Märchebuch ihres Großvaters vor
„Christkindleins Weihnachts-Reise nach Heidelberg“ –
die Vorstellung des gerade erschienenen Bilderbuches geriet zur Liebeserklärung
an Alfons Renk, den Autor und früheren Lehrer in Ochsenfurt. Enkelin
Carola Throm Hibschman las aus „ihrem“ Büchlein und teilte
mit den Zuhörern bewegende Erinnerungen an ihre Ochsenfurter Zeit
1944/45.
„Den größten Angstmoment ihres Lebens und das tragende
Gefühl von Sicherheit – beides hat Carola Throm Hibschman in
Ochsenfurt erfahren. Beides hängt mit Opa zusammen. Der Opa und das
Büchlein hätten sie stark gemacht fürs Leben.
Es ist das verbindende Element zwischen der Heimatstadt Heidelberg und
der Heimat Ochsenfurt, dem Wohnort der Großeltern. Hier verbrachte
sie als Fünfjährige eineinhalb prägende Kriegsjahre ab
Februar 1944, bei Alfons Renk an der Hand.
Ohne den Krieg wäre das Büchlein sicher nur ein hübsches
Kinderbuch gewesen, mit dem sie lesen und schreiben, Reim, Rhythmus und
Dichtung lieben lernte, die Farben und das Zeichnen, meint sie und schwärmt
von der unglaublichen Leuchtkraft der Farben. Auch ihnen steht Symbolik
zu, weil es zum Ende des Krieges doch eigentlich nichts mehr gab, so Hibschman.
Das Christ-Kindlein sei sie gewesen, die vor dem 5. Geburtstag Christa
genannt wurde. Hibschman entschlüsselt ihr Weihnachtsmärchen.
Die Lesung im vorweihnachtlichen Ochsenfurt, die Spurensuche der 71-Jährigen,
die neue Verbindungen, die sie geknüpft hat, die Berichte ehemaliger
Schüler von „Opa“ und ihre Erläuterungen –
es ist ein Abend voll großer Emotionalität.
Ihre Erinnerungen an Ochsenfurt 1944/45 hat Carola Throm Hibschman in
dem Begleitbändchen zum Bilderbuch aufgeschrieben. Es sind Erinnerungen,
die über all die Jahre immer gleich und glaskar gewesen sind, berichtet
die Professorin für Antike, die ihr Berufsleben in den USA verbrachte.
Dort habe sie in den Anfangsjahren oft geträumt, wie sie über
die Alte Mainbrücke kommt, mit dem Blick auf die Brückenstraße.
Alfons Renk war von Bad Neustadt/Saale nach Ochsenfurt strafversetzt gewesen,
in ein Ackerbürgerstädtchen mit damals rund 3000 Einwohnern.
Seine Kritik an den Nazis war schon 1934 schlecht angekommen. Es muss
schwierig für ihn gewesen sein, aber in Ochsenfurt muss er dann wirklich
seinen Mund gehalten haben.
Nie habe sie kritische Äußerungen von ihm gehört und anders
kann sie es sich auch nicht erklären, dass er bei der Entnazifizierung
als Mitläufer mit 400 Reichsmark belegt wurde. Es ist ein Detail,
das Stadtarchivar Peter Wesselowsky beitragen konnte.
Erstaunlich, aber Hibschman berichtet, sie habe nie Bilder von Hitler
oder anderen Nazi-Größen gesehen, oder ihre Stimmen gehört.
Die Melodie des Schweizerischen Senders Radio Beromünster ist ihr
jedoch noch im Ohr.
Die Nachrichten durfte sie freilich nicht hören. Da musste sie immer
„studieren“ gehen. Geist und Disziplin habe Renk verlangt,
unausgesprochen zwar, aber wirkungsvoll. 1955 hatten Renks Ochsenfurt
verlassen. Sie bauten in Würzburg ein Haus und lebte dort bis zu
beider Tod 1970.
Christkindlein Weihnachts Reise nach Heidelberg 1943 von Alfons Renk (14
Seiten) ist als bibliophile Ausgabe zusammen mit dem Begleitbuch „Ein
Buch für Christa“ von Carola Throm Hibschman (36 Seiten) im
Schuber erhältlich.
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Heidelberg
- Jahrbuch
zur Geschichte der Stadt
Nr.16 /
2012
von Claudia Rink
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Bereits zu Weihnachten 2010 ist dieses Bilderbuch „Christkindleins
Weihnachts Reise nach Heidelberg 1943" erschienen. Zu spät
für eine Rezension im letztjährigen Jahrbuch, aber nicht zu
spät für eine Besprechung in diesem Jahr - da die Geschichte
ohnehin an ein alljährlich wiederkehrendes Fest gebunden ist. Man
fühlt den Hauch einer früheren Zeit beim Lesen und Betrachten
dieses Büchleins, es ist wie geschaffen für nostalgisches Erleben.
1943 - Deutschland befindet sich mitten im Zweiten Weltkrieg - hat Alfons
Renk diese Weihnachtsgeschichte für seine Enkelin Carola Throm
geschrieben und mit stimmungsvollen Bildern versehen. Der Vater der vierjährigen
Carola ist Lehrer am Heidelberger Kurfürst-Friedrich-Gymnasium.
In Sorge um seine Familie, schickt er seine schwangere Frau im Februar
1944 zusammen mit der Tochter aufs Land ins fränkische Ochsenfurt
bei Würzburg, wo die Eltern seiner Frau leben. Dort werden am 14.
Februar 1944 gleich mehrere Feste gefeiert; Weihnachten (wird mit den
Großeltern nachgefeiert), der Geburtstag von Oma Renk und von Carolas
Mutter, die beide an diesem Tag Geburtstag haben und der Namenstag des
Opas, „Valentin" Alfons. An diesem Tag bekommt Christa, die
ab ihrem 5. Geburtstag dann Carola genannt wird, weil das ihr erster Name
ist und sie „nun groß sei", das Buch von ihrem Großvater
geschenkt. Es wird sie von nun an durch Ihr ganzes Leben begleiten, als
eine Art „Talisman", wie die Beschenkte selbst sagt.
Eine zauberhafte Weihnachtsgeschichte in gereimten Versen geschrieben,
mit leise rieselndem Schnee, der auf Heidelberg fällt, - Kinder,
die sich auf Weihnachten freuen und viele Wünsche haben, die sie
auf Zettel schreiben und am Nikolaustag vors Fenster legen. Ein Himmel
voll geschäftiger Engel, ein gut organisierter Nikolaus - die rechte
Hand des Christkinds - der die Engel auf die Erde schickt, die Wunschzettel
einzusammeln, und gefüllte himmlische Lager sind in leuchtenden Farben
dargestellt. Alles wird vorbereitet, und die Fahrt auf Schneeschuhen und
Schlitten mit dem Christkind im „Pelzmäntelein" auf die
Erde beginnt, um die Kinder zu bescheren, Die zentrale, aber unaufdringliche
Botschaft des Großvaters ist der immerwährende Schutz durch
das Christkind: „Das Jesulein an alle denkt, ein jedes wird von
ihm beschenkt,"
Ein Begleitheft von Carola Throm Hibschmann ist dem Bilderbuch, das sie
Ihrer Heimatstadt Heidelberg gewidmet hat, beigefügt. Neben
den Lebensbeschreibungen der Großeltern und Eltern und eigenen biografischen
Daten hat sie ihre Erinnerungen an Heidelberg und die Kriegsjahre in Ochsenfurt
darin festgehalten. Diese Rückschau macht eigentlich erst verständlich,
warum man heute so ein Buch herausgibt.
Als „überglückliches Kind" hat sie diese Jahre 1943
bis 1945 In Erinnerung, dank des (sich so gut in eine Kinderseele) einfühlenden
Großvaters, an dessen Hand sie so oft über die später
gesprengte Alte Mainbrücke in Ochsenfurt lief und der ihr mit diesem
Märchenbuch ein „Kinderparadies" errichtet hat. Doch
ganz konnten die Erwachsenen ihre Sorgen und Ängste nicht vor dem
Kind verbergen: Wenn sie zum „Studieren" ins „Schwarze
Zimmer" geschickt wurde, weil die Erwachsenen den feindlichen Sender
„Radio Beromünster" hören wollten, übertrug
sich deren Angst auch auf sie, Den „fürchterlichsten Augenblick"
erlebte sie bei der Bombardierung Würzburgs am 16. März 1945,
als auch die Bewohner von Ochsenfurt Schutz suchend ihre Häuser verlassen
mussten: Da verlor sie im allgemeinen Gewühl die ihr stets Sicherheit
vermittelnde Hand des Großvaters. Auch die von den Erwachsenen sehnlichst
erwarteten US Amerikaner, von denen dann auch ein Spähtrupp im Haus
der Großeltern einquartiert wurde, flößten ihr zunächst
Angst ein.
Im August 1945 kehrte sie mit ihrer Mutter und dem in Ochsenfurt geborenen
Bruder ins unzerstörte Heidelberg zu Ihrem Vater zurück, wo
sie nun die Pestalozzischule und später das humanistische Gymnasium
besucht. 1966 hat sie, nach einem Studium der Altphilologie und Philosophie
in Heidelberg und Würzburg, geheiratet und ist mit ihrem Ehemann,
einem US-Amerikaner mit Schweizer Wurzeln, in die Vereinigten Staaten
gezogen, wo sie als Professorin für Antike im Department of Humanities
an der Coppin State University in Baltimore, Maryland, lehrte.
Eine anrührende Weihnachtsgeschichte, der zunächst nur familiär-private
Bedeutung zukommt, die aber durch das Begleitbuch in einen allgemeineren
Rahmen gestellt, breiteres Interesse finden kann. Der Kurpfälzische
Verlag hat es liebevoll, in einer aufwendigen und kindgerechten Papp-Ausstattung
im Schuber, bereits für Weihnachten 2010 herausgegeben. Ei n schönes
Geschenk (nicht nur für Kinder) auch für Weihnachten 2011. |